Hörspiel

Sodom und Gomorrha (1/3): Die Unstetigkeiten des Herzens

Alte Postkarte mit einer Abbildung der Promenade in Cabourg
Alte Postkarte mit einer Abbildung der Promenade in Cabourg © Léo Mabmacien / Flickr
Nach dem Roman von Marcel Proust · 08.02.2020
Im Pariser Stadtpalais der Familie Guermantes hatte sich für Marcel, Ich-Erzähler in Prousts großem Roman, die mondäne Welt der exquisiten Gesellschaft erschlossen. Zu Beginn von „Sodom und Gomorrha“ ist das Stadtpalais Ausgangspunkt seiner Entdeckung der Welt der Inversion – wie Proust die Welt der gleichgeschlechtlichen Sexualität und Liebe nennt.
„Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit" ist nicht nur ein grandioser Roman, sondern auch der perfekte Ratgeber für alle Lebenslagen.” (Alain de Botton)
Der vierte Roman aus Marcel Prousts "À la recherche du temps perdu" heißt "Sodom und Gomorrha I", erschienen in zwei Bänden zwischen 1920 und 1921.
Im Alten Testament sind mit diesen Namen Städte benannt, die Gott unter einem Regen aus Feuer und Schwefel begrub, weil sie sich der Sünde hingegeben haben.
Im Stadtpalais der hochadligen Familie der Guermantes hat sich für Marcel, den Ich-Erzähler, zuvor die mondäne Welt der exquisiten Gesellschaft erschlossen. Jetzt ist es Ausgangspunkt seiner Entdeckung der Welten von Sodom als der der männlichen und Gomorrha als der der weiblichen Homosexualität. Er beobachtet hier die zufällige Begegnung des Décadent Baron de Charlus und des Westenmachers Jupien: Trotz aller Standesunterschiede erkennen sie plötzlich einander und nutzen sofort die Gelegenheit zum Sex. Marcel dechiffriert ab da auf der Soirée der Prinzessin de Guermantes die Gäste als Leidende und Lächerliche im Spiel des (gleich)geschlechtlichen Begehrens.
Die "Recherche" erzählt weiter: von Marcels Liebe zu der jungen und koketten Albertine Simonet, von seiner krankhaften Eifersucht bei dem Verdacht, sie begehre Frauen wie Mademoiselle Vinteuil, von Marcels Heiratsentschluss, von der Beziehung Charlus‘ zum Geiger Morel, den Reisen in die Normandie nach Balbec, dem kunstsinnigen Salon der Aufsteigerin Madame Verdurin; schließlich von der Unbeständigkeit der Herzen und der vernichtenden Wirkung der Zeit.
Die Hörspielfassung wahrt die Eckpfeiler des Handlungs- und Erzählverlaufs. Sie kürzt aber radikal, um Platz zu schaffen: für umfangreiche akustische Tableaus entlang der Satzkonstruktionen, die den Proustschen Erinnerungsprozess in all seiner Heterogenität belassen, in all seiner Komik und Unbarmherzigkeit.
Das Hörspiel basiert auf der neuen Übersetzung der "Recherche" durch Bernd-Jürgen Fischer, die 2016 abgeschlossen wurde.

Sodom und Gomorrha (1/3)
Die Unstetigkeiten des Herzens
Nach dem Roman von Marcel Proust
Aus dem Französischen von Bernd-Jürgen Fischer
Bearbeitung: Manfred Hess, Hermann Kretzschmar
Komposition: Hermann Kretzschmar
Regie: Iris Drögekamp
Mit Michael Rotschopf, Lilith Stangenberg, Gerd Wameling, Stefan Konarske, Corinna Kirchhoff, Tina Engel, Leslie Malton u.a.

Produktion: SWR/Dlf 2018
Länge: ca 115'
(Teil 2 am 15.2.2020)